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Sehr geehrter Herr Dr. Weyer,
Ich danke Ihnen für Ihre Mail, zeigt sie doch, daß es noch einiger Klarstellungen
bedarf, was die Ziele und Hintergründe meines auf schach.com veröffentlichen
Aufrufes betrifft.
1. Was schiefgegangen ist.
Engagement für das Schach einigt uns alle: Vom einfachen Mitglied über
Funktionsträger im Bezirk bis zum Verband oder auf höherer Ebene. Der
Lohn für harte Arbeit und viel Schweiß sind Erfolge, erfolgreiche Veranstaltungen
und Freude für viele Schachneulinge, aber auch die Genugtuung, in der
Öffentlichkeit als erfolgreiche Sportart wahrgenommen zu werden. Wir alle
möchten etwas von der Freude, die uns das Spiel bereitet, weitergeben.
Jede gelungene Schachveranstaltung, die die Öffentlichkeit erreicht, transportiert
diese Freude nach außen. Die Austragung einer Jugend - Europameisterschaft
wird die Öffentlichkeit erreichen. Und die Schachjugend hat mit der Austragung
der Deutschen Meisterschaft gezeigt, daß die Euro gelingen kann.
Meine Kritik trifft nicht (nur) die Entscheidung selbst, die Ausrichtung
der Europameisterschaft nicht zu unterstützen. Eine solche wäre aus vielen
sachlichen Gründe u.U. letztlich nachvollziehbar. Mein Unverständnis betrifft
das Verhalten des geschäftsführenden Präsidiums. Jedes Mitglied des Deutschen
Schachbundes erwartet zu Recht, daß ein Vorhaben von solcher Qualität
und Tragweite aufgeschlossen geprüft wird, sich die einzelnen Verantwortlichen
mit all ihren Mitteln, herausragendem Sachverstand und jahrelang bewiesenem
persönlichem Engagement für ein solches einzusetzen. Und die Initiatoren
in Ihrem Einsatz zu unterstützen, so lange es um das Schachspiel und dessen
positive Ausstrahlung in der Öffentlichkeit geht. Hierfür zahlen hunderttausend
Mitglieder ihre Beiträge und opfern tausende von Helfern hunderttausende
von Stunden. Dies ist in diesem Fall nicht geschehen. Statt Lösungen zu
suchen, fehlende finanzielle Mittel durch Sponsorengelder zu beschaffen,
organisatorische Details zu erörtern und Hilfe anzubieten, wurden die
Initiatoren vom geschäftsführenden Präsidium nicht angehört.
Sicherlich könnte man andere Projekte des Schachbundes anführen, die der
Wirkung einer Jugendeuropameisterschaft in Motivation des eigenen Nachwuchses
und Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gleichkommen und durch die Europameisterschaft
gefährdet würden. Nur - mir sind keine bekannt.
2. Initiator des Aufrufes und warum Anlaß zur Sorge besteht.
Mein Aufruf an die Öffentlichkeit ist nicht als Angriff auf das Präsidium
gedacht, bestimmte Entscheidungen zu erzwingen. "Agitation" zu betreiben,
wie Sie in Ihrem Brief an mich schreiben. Es ist der Versuch, eine Fehlentscheidung
zu korrigieren, die viele ehrenamtliche Helfer, Arbeiter für die Sache
Schach, um den Lohn für ihr Engagement bringt.
Es war das Ziel dieser Aktion zu zeigen, daß es viele aktive Freunde des
Schachs gibt, die sich Engagement für ein herausragendes Projekt wünschen
und sich für die Initiativen anderer einsetzen. Und es war mein persönliches
Ziel. Nicht das Ziel der Deutschen Schachjugend, eines Ihrer Mitglieder
oder Funktionäre, die alle erst durch die Veröffentlichung meines Aufrufs
auf mein Anliegen aufmerksam wurden.
Es besteht Anlaß zur Sorge.
Veranstaltungen wie die ChessClassics, die Dortmunder Schachtage oder
das Borowski-Turnier sind herausragenden Initiatoren wie Hans-Walter Schmitt,
der Stadt Dortmund und Julian Borowski zu verdanken. Denken wir an die
Arbeit von Christian Zickelbein und seine Veranstaltungen in Einkaufszentren
rund um Hamburg, die an jedem Veranstaltungstag Tausende von Bürgern mit
dem Thema Schach konfrontieren. Die Internationalen Meisterschaften von
Hamburg bringen buntes Leben in blutarme Landesmeisterschaften und sind
eine Initiative von Jürgen Kohlstädt. Die Deutsche Schachjugend erreicht
viele tausend Besucherkontakte auf Veranstaltungen wie der Expo, den Bundesjugendspielen
und Messen. Aber wir müssen auch an Veranstaltungen wie die Simultanspiele
von Elisabeth Pähtz und Garry Kasparov mit den Klitschko-Brüdern auf dem
Leipziger Bahnhof oder an die Veranstaltung "links und rechts vom Nekar
2001" denken. Alle diese Leistungen prägen das Bild vom Schach in Deutschland.
Hunderttausende von Besucherkontakten wurden erzielt. Wieviele davon sind
dem Schachbund zuzuschreiben?
Sie können es besser einschätzen als ich: Hunderten, vielleicht tausenden
ehrenamtlichen Mitgliedern ist es zu verdanken, daß sich der Spielbetrieb
in Deutschland so darstellt, wie wir es erträumen: Die Ergebnisse von
der Bundesliga bis teilweise in die Kreisligen hinunter sind bereits wenige
Stunden nach dem Beenden der Partien im Internet zu finden. Die Spielleiter
opfern viele Stunden ihres Wochenendes, viele Jahre ihres Lebens, um den
Turnierbetrieb zu ermöglichen. DWZ - Referenten kämpfen sich immer wieder
neu durch Fluten von Ergebnissen und sich ändernde Vorschriften. Und auch
sie präsentieren die Ergebnisse Ihrer Arbeit oft innerhalb weniger Tage
nach dem Eintreffen der Daten. Alle sie kämpfen für das Ansehen unseres
geliebten Hobbys, möchten ihre Freude am Spiel an die Öffentlichkeit weitergeben.
Wir haben als Bund Schwierigkeiten mit dem Thema "öffentliche Veranstaltungen".
Davon zeugen zum einen die Probleme des Referenten für Breitensport Ernst
Bedau, seine Ziele innerhalb des Bundes durchzusetzen und zum anderen
der Mangel an öffentlicher Repräsentation unseres geliebten Spiels. Dies
ist bedauerlich. Aber wir dürfen deshalb nicht die Initiative anderer
ersticken, wie hier das Projekt der Schachjugend zur Europameisterschaft.
3. Demokratie innerhalb des Schachbundes
Wie in jeder demokratischen Organisation müssen wir innerhalb des Schachbundes
unterschiedliche Meinungen ab einem bestimmten Punkt öffentlich diskutieren.
So, wie wir es in der vergangenen Zeit taten und - dessen bin ich sicher
- auch in der Zukunft tun werden. Dies macht vor Entscheidungen der Führungsspitze
nicht halt. Nicht allein das Zahlen unseres Mitgliedsbeitrags, insbesondere
die implizite Verantwortung zur aktiven Mitarbeit nimmt auch uns einfache
Mitglieder in die Pflicht. Aktive Mitarbeit setzt aktuelle Information
voraus. Die haben wir geliefert.
4. Überdenkenswerte Annahmen Ihrer Mail
Sie fragen, woher ich die Sicherheit nehme, daß "alle Schachspieler, Schachkidies
und Schacheltern" über die notwendigen Kenntnisse und Informationen verfügen,
um den Sachverhalt korrekt bewerten zu können? Sie haben die Deutschen
Meisterschaften als Vorbild der Europameisterschaft erlebt. Sie waren
da. Von den Vertretern des geschäftsführenden Präsidiums war keiner da
- wie schon seit Jahren nicht.
Doch die Frage ist falsch gestellt. Sicherlich sind einzelne Schachfreunde
und "Schacheltern" überfordert, die Details der Umsetzung eines solchen
Projektes zu überschauen. Aber deren Wünsche sind der Grund, warum es
den Schachbund gibt. Erster Imperativ für Funktionäre des Schachbundes
ist es zu fragen, was seine Mitglieder wollen. Der zweite Schritt ist
es - mit aller Kraft - zu fragen, wie die Organisation diesen Traum umsetzen
kann. Und erst im dritten Schritt kann eine Entscheidung fallen. Dies
ist - sicherlich nur kurzzeitig - in Vergessenheit geraten.
Sie sagen, es sei nicht rechtens, Herrn Schlya mit Emails zu überhäufen.
Es ist nicht das Ziel, Herrn Schlya unter Druck zu setzen. Wir haben den
Herrn Präsidenten lange Jahre bei seiner Arbeit als Landesvorsitzenden
beobachten können und werden sicherlich alle die Meinung teilen, daß ihm
die Sichtweise aller Schachfreunde stets ein wichtiges Anliegen war. Ich
bin sicher,daß ihm jede einzelne wichtig ist.
5. Das Präsidium wird die richtige Entscheidung treffen
Ich bin überzeugt, daß unser geschätzter Präsident Alfred Schlya, der
sich in der Vergangenheit große Verdienste um das Schachspiel erworben
hat, auch in der Zukunft sich mit Engagement für unsere gemeinsame Sache
einsetzen wird. Ich bin sicher, daß er Aufruf und die erhaltenen Emails
nicht als Druck, sondern als befruchtende öffentliche Meinungsäußerung
versteht und entsprechende Konsequenzen für die Arbeit des Schachbundes
zieht. Ich bin zuversichtlich, daß das Präsidium die Haltung zur Europameisterschaft
überprüfen und sich im Sinne aller engagierten Schachspieler in Deutschland
entscheiden wird.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Fritz
axel.fritz@schach.com
www.schach.com
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