Offener Brief von Marta Michna

Wegen Nichtberücksichtigung im Kader der deutschen Damen-Nationalmannschaft hat sich WGM Marta Michna an die Öffentlichkeit und an die Kommission für Leistungssport gewandt.

Wir möchten der Bitte der Großmeisterin entsprechen und den Brief veröffentlichen. Als Info für unsere Leser möchte schach.com hinzufügen, dass WGM Marta Michna mit Elo 2377 Nummer vier und IM Zoya Schleining mit Elo 2389 Nummer drei der deutschen Damenrangliste sind.

Liebe Mitglieder der Kommission,

bei Ihrer Sitzung am letzten Wochenende wurden die Kader für das Jahr 2018 festgelegt. Ich bin sehr überrascht und sehr verärgert, dass ich dabei nicht berücksichtigt wurde.

Ich habe den Bundestrainer Dorian Rogozenco heute dazu angerufen. Er hat mir mitgeteilt, dies läge an meiner schlechten Leistung bei der Europameisterschaft auf Kreta. Nach meiner Entgegnung, dass er als Bundestrainer das schlechte Abschneiden der Mannschaft mitzuverantworten hat, sagte er, ich könne eine E-Mail an die Kommission schreiben. Ich tue dies öffentlich, um sicher zu gehen, dass sie auch Gehör findet.

Zu den Fakten: bei den beiden letzten Mannschaftsturnieren, der Olympiade 2016 in Baku und der EM 2017 auf Kreta, hat unsere Mannschaft katastrophale Ergebnisse erzielt. Meine beste Zeit ist sicherlich vorbei, aber ich habe mir bei beiden Turnieren nichts vorzuwerfen. In Baku habe ich am zweiten Brett sehr gut gespielt, die beste Elo-Performance der Mannschaft. Auch auf Kreta habe ich die zweitbeste Elo-Performance der Mannschaft erzielt und dabei meine Elo-Zahl auch bestätigt (-1,9). Ich bereite mich mit meinem Trainer Karsten Müller intensiv auf die Turniere vor, und während der Turniere verhalte ich mich professionell.

Bei den Deutschen Einzelmeistermannschaften in Bad Wiessee und den German Masters spiele ich regelmäßig mit, bin immer in den Top 3 gelandet – und das vor einigen Spielerinnen, die nun im B-Kader sind.

Im B-Kader für 2018 sind

Als einzige der genannten Spielerinnen ist Hanna Maria Klek ein einziges Mal bei Deutschen Meisterschaft oder den German Masters vor mir gelandet (bei der Deutschen Meisterschaft 2013).

Nun soll ich den Preis dafür bezahlen, dass die Mannschaft schlecht gespielt hat. Dabei sind die größten Fehler aus meiner Sicht woanders gemacht worden: bei der Nominierung und der Festlegung der Brettreihenfolge. Für beides ist der Bundestrainer Dorian Rogozenco verantwortlich.

Bei der Mannschaftsnominierung ist mir z. B. ein Rätsel, wieso Zoya Schleining seit Jahren übergangen wird. Sie bestätigt seit Jahren ihre Spielstärke von knapp 2400.

Bei unserem Kurztrainingslager vor der Europameisterschaft haben wir über die Aufstellung diskutiert. Die Idee, Josefine Heinemann als deutlich Elo-schwächste an Brett 2 zu setzen, fand ich von Beginn an falsch. Dies habe ich Dorian Rogozenco auch gesagt, obwohl mir andere Spielerinnen dazu geraten haben, nicht mit ihm darüber zu diskutieren – weil sie die Erfahrungen gemacht haben, dass dies zu persönlichen Nachteilen führt (hier möchte ich keine Namen nennen).

Nun bin ich also raus aus der Mannschaft – ich denke, weil es gewagt habe, die Aufstellung in Zweifel zu ziehen. Sportliche Gründe sehe ich nicht. Wer diese sieht, kann es mir gerne erklären.

Noch einmal zu unserem Abschneiden als Mannschaft. Dies tut mir wirklich sehr, sehr weh. Denn wir haben wirklich gute Voraussetzungen:

Warum wir diese guten Voraussetzungen nicht nutzen? Weil es immer wieder eine neue „crazy“ Idee gibt, wie man die Mannschaft neu erfinden kann.

Ich möchte Sie hiermit auffordern, mich weiterhin im B-Kader zu führen. Ich denke, ich erfülle alle schachlichen Anforderungen.

Viele Grüße Marta Michna