Tolles Buch über Kramnik

Kurz vor Beginn des Kandidatenturniers in Berlin erschien ein tolles Buch über den schillernden Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik. Kein Geringerer als sein langjähriger Manager Carsten Hensel aus Dortmund hat sich die Arbeit und sicherlich auch das Vergnügen gemacht sein Buch über die Zeit mit dem Schachgenie Kramnik zu schreiben. Es ist ein Genuss für Schachfreunde, die einmal hinter die Kulissen des Lebens eines Weltmeisters blicken wollen und die Leiden, Widerstände, Ups und Downs eines vielreisenden Schachprofis kennenlernen wollen. Für den Leser mag es überraschend sein, dass sich Kramnik seit jeher mehr als Künstler denn als erfolgs - bzw. ergebnisorientierten Profi sah. Zu sehr liebt er die Tiefe des königlichen Spiels, darin einzutauchen und gleichsam harmonische Symphonien auf dem Schachbrett zu schaffen. Die Probleme eine professionelle Einstellung zu finden sollten ihn lange Zeit beschäftigen und führten auch zu überraschenden Niederlagen wie im Duell gegen Shirov. Allein die unverhoffte Möglichkeit in der damals zerissenden Schachwelt gegen den damals als nahezu unbesiegbar geltenden Schachzar Garry Kasparov antreten zu können, rüttelte den lethargischen, unglaublich talentierten Kramnik wach, der damals noch unter einer desolaten körperlichen Verfassung aufgrund von Alkohol und mangelnder Disziplin litt. Es begann eine Zeit des Schuftens und Trainierens und spezieller schachtheoretischer Vorbereitung gegen den brillanten Taktiker und Dynamiker Kasparov und nicht nur das, Kramnik tat sehr viel um auch körperlich fit zu werden. Das Ergebnis ist Geschichte - Kramnik zermürbte Kasparov mit der nahezu perfekt vorbereiteten Berliner Verteidigung, die zu jener Zeit als etwas zweifelhaft galt. Kasparov gewann keine einzige Partie, Kramnik deren zwei und war plötzlich und verdient der neue Weltmeister. Hensel beschreibt die Last der Verantwortung dieses Titels aber auch die Vorzüge und vielen Möglichkeiten und Anfragen aus Bereichen der Wirtschaft, Politik, Werbung usw.. Spannend wie ein Krimi liest sich der WM-Kampf gegen Topalov in Elista und das daraus resultierende "Toilet-Gate", indem der prinzipientreue Sportsmann Kramnik von der dubiosen bulgarischen Delegation um den zwielichten Topalov-Manager Silvio Danailov des Betrugs verdächtigt wurde, obwohl ein solcher aufgrund der vielen Kontrollen ausgeschlossen war. Auch die WM-Kämpfe gegen Peter Leko und Viswanathan Anand werden ausführlich beschrieben sowie die gesundheitlichen Probleme (Rheumaerkrankung) Kramniks unter denen er in einigen Duellen erheblich zu leiden hatte. Trotzdem war Kramnik in kritischen Situationen immer wieder zu enormen Willens- und Kraftanstrengungen fähig um das Ruder doch noch zu seinen Gunsten herumzureißen. Kaum einer hat in den letzten beiden Jahrzehnten die Schachtheorie mit so vielen profunden Ideen bereichert wie Wladimir Kramnik und kaum einer hat ein derart tiefes Positionsverständnis wie er. Hensel gelingt es in diesem Buch den Schachfreund sowohl schachlich als auch literarisch zu fesseln und es ensteht das was einen guten Autor ausmacht, nämlich Lesefluss und die drängende Neugier noch mehr zu erfahren. Es kommen auch diejenigen nicht zu kurz, die wundervolle, entscheidende Partien nachspielen wollen, denn die Notationen aller WM-Partien Kramniks (teils mit seinen eigenen Kommentaren) sind enthalten. Das Buch von Carsten Hensel "Wladimir Kramnik - Aus dem Leben eines Schachgenies" ist in jeder Hinsicht ein gelungenes Werk und sehr zu empfehlen. Es erschien 2018 im Verlag Die Werkstatt.